Vom Allendorfer Nikelsmarkt

Anlässlich des bevorstehenden Nikelsmarktes haben wir in alten Nikelsmarktunterlagen des Museums gestöbert. Den Schwerpunkt haben wir in dieses Mal auf das Jahr 1949 gelegt. Es wird also der Nikelsmarkt vor 75 Jahren beschrieben.

Im Gießener Anzeiger vom 5.11.1949 ist folgendes zu lesen:

„Nach den hinter uns liegenden Jahren der Not und Entbehrung schickt sich die Stadt Allendorf an der Lumda an, am 9. und 10. November zum ersten Male wieder in beinahe friedensmäßiger Weise den traditionellen Nikelsmarkt zu begehen.   

Die Verwaltung des rührigen Städtchens im schönen Lumdatal hat keine Mühe gescheut, um den Nikelsmarkt entsprechend seiner überlieferten Bedeutung auszurichten. Das Programm ist durch eine Reihe zusätzlicher Veranstaltungen erweitert worden, die die Anziehungskraft auf Einheimische und Fremde nicht verfehlen werden. Wie auch in den früheren Jahren werden die Nachbarn aus dem Lumdatal und der Rabenau sowie aus dem Busecker Tal und dem Ebsdorfer Grund gastliche Aufnahme finden. Aber auch von Gießen, Grünberg, Lollar und Marburg erwartet Allendorf an diesen Tagen regen Zustrom von Gästen, die durch ihren Besuch ihre Verbundenheit mit der aufstrebenden Gemeinde unter Beweis stellen.

Die Einwohnerzahl der Stadt Allendorf an der Lumda hat sich durch die Zeitumstände seit der letzten Volkszählung im Jahre 1935 um rund 800 vermehrt und beträgt jetzt 2230 Personen. Unter den neu Hinzugekommenen befinden sich wie überall zahlreiche Neubürger aus dem Osten, die sich inzwischen in das kulturelle und wirtschaftliche Leben der Stadt eingefügt haben. Ihnen wird nachstehende Schilderung aus einer alten Chronik über die Geschichte der Stadt und des Nikelsmarktes manches Wissenswerte vermitteln:

Allendorf kommt schon im Jahre 786 vor und gehört wohl mit zu den ältesten Besitzungen der Landgrafen von Hessen. Es war schon im Jahre 1323 unter Landgraf Otto I., Sohn Heinrich I., ein Flecken und wurde am 2. März 1370 von Landgraf Heinrich II. zur Stadt erhoben. Er befreite damals die Einwohner der Stadt von sechs Jahren Beed, Dienst und Schatzung, unter der Bedingung, daß sie eine bestimmte Summe zur Befestigung der Stadtmauer verwenden sollten. Marktrechte besaß der frühere Marktflecken Allendorf schon im Jahre 1365. Damals wurde jeden Mittwoch ein sog. Wochenmarkt abgehalten.

Genaue Angaben über die Entstehung des Nikelsmarktes können leider nicht gemacht werden, da alle älteren diesbezüglichen Urkunden durch die schweren Brände, von denen unsere Stadt öfters heimgesucht wurde, vernichtet worden sind. Einwandfrei steht aber fest, daß der Markt schon auf ein ehrwürdiges Alter von einigen hundert Jahren zurückblicken kann. In früheren Jahren wurde der Nikelsmarkt alljährlich Anfang Dezember abgehalten. Man wollte hierdurch auch dem Landwirt, der mit viel Mühe und Schweiß bis dahin seine Feldfrüchte eingescheuert und seine Winteraussaat beendet hat, Gelegenheit geben, den Markt in aller Ruhe besuchen zu können.

Anmerkung: Seit Jahrzehnten bestimmt den Termin des Nikelsmarktes der 1. Mittwoch im November.

Hieraus dürfte auch die Bezeichnung “Nikelsmarkt“ hergeleitet werden, weil bekanntlich Anfang Dezember (am 6.) der Nikolaustag, im Volksmund kurz Nikelstag genannt, ist. Schon von jeher standen in Allendorf – dank dem Fleiß der Bevölkerung – neben der Landwirtschaft – Handel und Gewerbe in Blüte. Hieran vermochten auch die mannigfachen schweren Trübsale, wie die größeren Brände und feindlichen Kriegszüge, von den Allendorf im 16., 17. und 18. Jahrhundert öfters heimgesucht wurde, nichts zu ändern. Auch heute noch sind neben Landwirt- und Kaufmannschaft alle sonstigen Gewerbezweige vertreten, und diese haben auch diesmal wieder, wie in den Vorkriegsjahren, eifrig Vorbereitungen getroffen, damit jeder Marktbesucher zufriedengestellt werden kann.

Neben dem reichbeschickten Krämermarkt, der sich durch die Markt- und Bahnhofstraße bis zur Stadthalle erstrecken wird, schließt sich ein ausgedehnter Juxplatz für jung und alt an.

Allendorfer Heimatabend als Auftakt zum Nikelsmarkt

Zum ersten Male findet dieses Jahr am Vorabend des Nikelsmarktes ein großer Allendorfer Heimatabend statt, an dessen Ausgestaltung der Turn- und Sportverein und eine Abteilung des Handharmonika-Orchesters beteiligt sein werden. Bürgermeister Schwarz wird hierbei in einer Ansprache den Markt offiziell eröffnen. Der tiefere Sinn dieses Abends liegt darin, den Heimatvertriebenen ein Bild von dem kulturellen Leben der Stadt zu vermitteln und die Verbundenheit mit der neuen Heimat zu festigen.

Mit der Hissung der Stadtfahne, die auf einem unserer Bilder zu sehen ist, wird am Mittwoch das Zeichen zum Anfang des Marktbetriebes gegeben. Von 8 bis 9 Uhr beginnt der Auftrieb zum Viehmarkt. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten wird auch hier mit einem regen Betrieb zu rechnen sein. In der Mittagszeit von 12 bis 13 Uhr findet ein Platzkonzert auf der Marktstraße statt. Dann beginnt um 15 Uhr der Festbetrieb mit allerhand Volksbelustigungen in der schön geschmückten Stadthalle. Die bekannte Musikkapelle Schreiner aus Alten Buseck wird zum Tanze aufspielen. Wir sind gewiß, daß das frohe Treiben bei diesem Volksfest große Anziehungskraft besonders auf die Jugend aus nah und fern ausüben wird.

Rinderschau und Maschinenausstellung

Der Donnerstagvormittag sieht eine Bezirks-Rinderschau und Prämierung vor. Die erstklassigen Tiere der Züchter des hessischen Fleckviehs werden das Interesse aller Sachkenner auf sich lenken. Mit der Rinderschau ist eine Ausstellung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen verbunden, an der sich namhafte deutsche Spezialfirmen und einheimische Unternehmen beteiligen. Der große Wert dieser Lehrschauen liegt in der einmaligen Gelegenheit, die einzelnen Erzeugnisse miteinander zu vergleichen und in aller Ruhe die Arbeitsweise und Zweckmäßigkeit für die Arbeitsweise und die jeweiligen Belange des Interessenten bei der praktischen Vorführung zu beobachten.

Die Durchführung der Prämienschau obliegt dem Tierzuchtamt Gießen, dessen Leiter Herr Dr. Franke sich wiederholt sehr anerkennend über die Fortschritte der Zucht im Lumdatal geäußert hat. Die Stadt Allendorf hat wertvolle Preise für die Sieger der einzelnen Kategorien ausgesetzt.

Für alles ist gesorgt!

Die Allendorfer Gaststätten, seit jeher bekannt für ihre ausgezeichnete Küche und die Güte ihrer Getränke, werden den Besuchern das Beste aus Küche und Keller bieten. Ab 10 Uhr ist auch in der Stadthalle Gelegenheit für einen Frühschoppen gegeben. Nachmittags beginnt wieder in der Stadthalle das Volksfest, das alle Marktbesucher nochmals zu einem harmonischen Ausklang des diesjährigen Nikelsmarktes vereinen wird.

Besonders sei darauf hingewiesen, daß die Eisenbahn im Umkreis von 35 km Sonntagsrückfahrkarten mit einer eintägigen Gültigkeit am 9. und 10. November ausgibt. Damit ist alles getan, um diese Tage in jeder Hinsicht zu einem bedeutenden Ereignis werden zu lassen, und es ist zu hoffen, daß auch das Herbstwetter zum erfolgreichen Verlauf des Marktes beitragen wird. Die mutige Initiative der Stadt verdient jedenfalls volle Anerkennung.“

Das nachstehende Gedicht in dem Nikelsmarktbericht von 1949 beschreibt die Bedeutung des Nikelsmarktes für die Bewohner von Allendorf und Umgebung.

„Zum Allendorfer Nikelsmarkt Von Urgroßvatters Zeite her, werd Nikkelsmäärt gehaale, do freue sich schu lang vorher die Junge wäi die Aale. For die Andorfer is de schinste Doag en alles hot vierher gerest, en selbst die Grinscher feue sich als gings zum grißte Fest. Punkt oacht do gitt de Viehmäät o, den derf mer net verpasse mit Firkil, Schoof en Rinner vo alle Sort en Rasse. Das Vieh, doas is je schnell verkauft woas ehner hu wollt hot er kritt mer gitt jetzt of de Krämermäät do is schun viel Betrieb. Vo Kleins-Haus bis enof zum Stiewel stieht Staad o Staad en Desch o Desch do sei die Kerb mit Määtweck wäi riche däi so fresch. Von Andorf die Geschäftsleu all sei ziemlich stärk verträre was döi all bäire, gläbt mer nie däi sei em Handwerk of de Hih. Die Mäetzger doas sei Spezialiste. Ähr Fläschwerscht däi is wohlbekaat wäi däi is gibts ke besser Werscht im gaze Hesselaad. Die Wirte däi hu Hochbetrieb in jedem Saal do ist Klamauk do hert met schu vo weirm des Baßhorn en die Pauk. Keen Mensch kann sa: ech kann näit hie. Andorf leit jo so noh Es foahn Euch hie für wenig Geld Autos en Eiseboh.

(Karl Bertram)

Die Ausgestaltung des Nikelsmarktes und das Nikelmarktprogramm hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert und wurden an die Bedürfnisse angepasst. Wurde im Jahre 1949 erstmals der Heimatabend eingeführt, der seit diesem Jahr fester Bestandteil des Nikelsmarktes ist, kann man aber auch feststellen, dass der Krammarkt seinerzeit an zwei Tagen, jeweils mittwochs und donnerstags, stattfand.

Die guten Wünsche für die Nikelsmarkttage am 7., 8. und 9. November 1949 mögen sich auch bei dem diesjährigen Nikelsmarkt in Erfüllung gehen.

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